Sparrenburg Bielefeld, Deutschland

Heute nehme ich euch mit auf eine Reise zur Sparrenburg, dem Wahrzeichen Bielefelds, meiner Geburtsstadt.

Wir gehen auch in die Kasematten unter der Burg.

Die Führung kostet 5€ und dauert ca. 90 Minuten.

Auch wenn ich in meinen vielen Jahren bereits unzählige Male hier vor Ort war, die Aussicht genossen habe oder spazieren gegangen bin, das Sparrenburgfest (Video) besucht habe oder sogar zum geocaching (Video) aufgebrochen bin, noch nie war ich mir der Burg und deren Geschichte so bewusst wie heute!

Zwischen 1240 und 1250 wurde mit ihrem Bau durch den Grafen von Ravensberg begonnen.

1356 ist die Burg erstmals erwähnt worden, sie gehörte zu einer Anzahl an Burgen und Wachposten die die Handelswege überwachten.

Herzog Von Kleve, der 1535 mehr als die Hälfte von Nordrhein-Westfalen und Teile Niedersachsens zu seinem Herzogtum zählen durfte, baute die noch kleine Burg dann aus.

Bis zu 9 Metern dick ist die Mauer, die die Burg umgibt. Zwischenräume sind mit Geröll gefüllt, ein untergraben der Mauern ist daher nicht möglich, denn ein Tunnel würde umgehend von den losen Steinen aufgefüllt werden.

An diesem Modell könnt ihr sehr gut sehen, dass der Turm eine Tropfenform aufweist. nur der untere Teil des Turms ist noch im Originalzustand, ab der Verzierung wird er deutlich schlanker und ist im 19 Jahrhundert wieder aufgebaut worden.

Diese Form wurde genommen, um einem Angriff mit Kanonen besser stand halten zu können, ein Aufprall einer Kanonenkugel wäre SO abgelenkt worden. Zudem ist die Spitze des Tropfens am Turm bis zu 4,10 Meter dick, an den anderen Stellen 2,95 Meter.

Insgesamt ist die Burg in ihrer über 800 jährigen Existenz nie eingenommen worden. Allerdings wurde sie 10x belagert und davon hat es 5x geklappt. Die Burg war daher auch in Besitz von Holländern, Franzosen und Spaniern.

1679 gab es hier die letzte Auseinandersetzung.

Der Turm ist 31,5 Meter hoch, der Brunnen 61 Meter tief.

Ihn in das felsige Gestein zu schlagen hat 15 Jahre gedauert!

Im Brunnenschacht arbeiteten immer 2 Männer, 6 Stunden lang. Frischluft bekamen sie durch Aufwinde, denn über ihren Köpfen wurde auf einer Plattform ein loderndes Feuer unterhalten. Keine sehr angenehme Vorstellung und mit Sicherheit, härteste Arbeitsbedingungen.

Bevor es mit der Führung durch die Kasematten los ging, hatte ich noch lange Zeit, also bummelte ich über das große Gelände und besah mir noch die Ausgrabungen.

Auch die herrliche Aussicht konnte ich an diesem klaren Tag genießen.

Da mir noch immer genug Zeit verblieb ging ich zum Kiosk und bestellte mir eine kleine Nascherei.

Ganz wunderbar konnte ich dem Treiben auf dem Innenhof folgen, denn die Sparrenburg ist auch gleichzeitig eine beliebte Location für Hochzeiten. Im hier ansässigen Trauzimmer finden Trauungen donnerstags und freitags im 30 Minuten Takt statt. 5x an beiden der Tagen.

Auch heute herrschte hier viel Betrieb, den ich jedoch nicht fotografierte. Statt dessen genoss ich hier meinen Milchkaffe und den Apfelkuchen.

Ein nettes Gespräch mit der Kioskbetreiberin folgte und ich erfuhr, dass sie auch Bücherspenden annehmen und zum Erlös von 1€ weiter verkaufen.

Das Geld geht dann in die Einrichtung für Behinderte in Bethel. Was für eine herrliche Idee!

Ab April, wenn die neue Saison startet, werde ich meine gelesenen Bücher nicht mehr in die öffentlichen Bücherschränke geben, sondern auch ausgewählte Exemplare hier her bringen! (Dieser Link führt euch zu einer Auflistung aller öffentlichen Bücherschränke in meiner Stadt Lage. Hier darf jeder sich Bücher entnehmen und Jeder auch Bücher einstellen. Alles kostenlos)

So… gestärkt, ausgeruht und voller Vorfreude und Neugier begab ich mich dann zum Treffpunkt am Brunnen. 2x täglich finden die Führungen durch die Kasematten statt. um 12:00 und um 14:30 Uhr. Allerdings nur vom April-Ende Oktober. In den Wintermonaten beherbergen die Kasematten 12-16 Fledermausarten die nicht gestört werden sollen.

Die Karten dafür kann man online erwerben oder am Besucherzentrum direkt am Eingang der Burg.

Auch für die Besichtigung des Turmes (auf den wir heute nicht gehen)

Die Burg selbst beherbergt ein sehr gutes, aber etwas kostspieliges Restaurant (aus dem auch mein Kuchen vom Kiosk kam).

Hinter dieser etwas unscheinbaren Tür geht es runter in die Kasematten.

Durch die neuzeitliche Beleuchtung ganz angenehm, im Fackelschein hätte ich mir jedoch vermutlich OHNE Geländer auf den unterschiedlich hohen Stufen die Knochen gebrochen.

Hier befinden wir uns unter einem der vier Rondelle der Burg.

50 - 150 Mann wurden pro Rondell hier untergebracht. Sie bestanden aus Soldaten und Söldnern, denen der Besuch der nahegelegenen Stadt Bielefeld untersagt war.

Außerdem gab es dafür ja ohnehin kaum eine Gelegenheit, denn die Männer hatten lediglich 1 Tag pro Monat frei.

Die meiste Zeit verbrachten sie somit hier unten zusammengepfercht auf Stroh und im Dienst. Betten gab es keine, dafür war auch kein Platz.

Allerdings gab es Toiletteneimer, diese wurden dann je nach Dienstplan von den Männern selbst entleert, in den Burggraben.

Dies ist eine Schiffskanone, leider also kein Original. Die waren aber auch wesentlich größer und wogen bis zu 400kg.

Pro Kanone gab es 3, zumeist durch den Dienst taub gewordene, Männer.

Dennoch war der Dienst als Kanonier sehr begehrt, denn wegen der großen Risiken gab es hier den doppelten Sold.

Einer befüllte die Kanone, alle drei liefen in Deckung in die kleine Nische rechts, einer zündete mit Hilfe eines glühenden Stabes die Lunte, der dritte musste das Rohr danach säubern.

Der Raum war so mit Qualm gefüllt, dass es eine Qual gewesen sein muss hier Dienst zu haben.

Auch mussten sie die Kanone gemeinsam wieder an ihren Platz rollen, denn der Rückstoß brachte sie bis zu 5 Meter in den Raum hinein.

Dies war die damalige Backstube. Hier wurde 3x täglich gebacken, pro Backvorgang 100 Brote . Zuvor musste der Ofen jedoch über 5 Stunden befeuert werden. Das Holz hierfür, wurde oberhalb des Ofens in einem Raum getrocknet.

Die 6 Kinder die bei dieser Führung dabei waren, durften über den wackeligen Tisch in den Innenraum klettern.

Die junge Frau die unsere Führung leitete sagte, dass sie dort bereits komplette Schulklassen untergebracht habe… wir dürften dort auch mit hinein…

die Erwachsenen, einschließlich mir, lehnten jedoch dankend ab. :joy:

Nun sollte man denken, dass es gut war für die Soldaten, dass hier immer frisch gebacken wurde. Jedoch weit gefehlt, frisches Brot gab es für sie nicht. Die Brotlaibe wurden extra gelagert bis sie altbacken und hart waren. Solch ein Brot konnte nicht verschlungen, sondern musste lange gekaut werden. So wurden sie schneller satt und der Verbrauch der Brote sank im Vergleich zum Verzehr der frischen Ware.

Wer auf seiner Wache einschlief, zu spät zum Dienst erschien, sich nicht an die strengen Vorgaben und Gebote hielt, wurde eingekerkert.

Wo heute ein Gitter den Kerkerraum versperrt, gab es früher noch eine Tür. Dahinter lag absolute Finsternis.

Wer hier herein kam, dem blühte eine Haftzeit von 6 Wochen!!!

Ein Loch im hinteren Teil dieses Raumes diente als Latrine, Essen gab es 1x am Tag und da die stärksten und aggressivsten Männer immer vorne saßen und dieses ergriffen, kam auch nicht jeder aus dem Kerker wieder lebend heraus.

Aber auch ohne dieses zutun war das Leben eines Söldners im Durchschnitt zur Normalbevölkerung sehr kurz. Sie verstarben zumeist vor ihrem 30/35 Lebensjahr.

Am Ende dieses Tunnels gab es den zweiten Eingang zur Burg.

Während Edelleute und andere im Rang höher stehende Menschen den Zugang über die Zugbrücke nehmen durften, war für das Gesinde und die Soldaten dieser Zugang vorgesehen.

Da dies eine mögliche Schwachstelle darstellen könnte, waren hier 3 Tore aus 27cm dickem Eichenholz angebracht. Vorn mit Metallplatten gegen Feuer gerüstet.

10 große, kräftige Männer hätten 2 1/2 Stunden mit dem großen Rammbock schwer arbeiten müssen um eines davon zu durchbrechen.

Dann wären sie auf das zweite Tor gestoßen, die Arbeit wäre von Neuem begonnen worden.

Das Dritte Tor befand sich nach einer geringen Kurve, dafür hätten sie dann den großen Rammbock gegen einen kürzeren eintauschen müssen um dort zu arbeiten.

Zusätzlich lag diese Tür höher, die Steigung hätte die Arbeiten deutlich erschwert.

Direkt nach dem dritten Tor gab es dann diese Öffnung, die Pechnase. Hier konnte heißes Pech auf die Angreifer gegossen werden. Auch kochendes Wasser oder heißer Sand standen zur Verteidigung zur Verfügung.

Sand, der durch die Ritzen der Rüstungen dringen konnte, verhielt sich wie Schmirgelpapier auf der darunter liegenden Haut.

Hätten die Angreifer jemals diese Verteidigungsanlagen durchbrochen, so gab es auch noch eine kleine Bombenrollbahn.

Von oben konnte dort eine Bombe mit gezündeter Lunte hinabgerollt werden. Dies ist jedoch nie geschehen, die Tunnel weisen keine derartigen Spuren auf.

Mein Kopf summte von all den aufregenden Erzählungen und dem Wissen was hier vermittelt wurde (seid froh, dass dies bereits eine Woche her ist und ich euch nur DAS erzähle, was ich speichern konnte :rofl: :rofl: :rofl: )

Als Kind hatte ich bereits einmal das Vergnügen hier bei einer Führung dabei zu sein. Klar, ich war noch im Schulkindalter und es liegt sehr lange zurück,

dennoch denke ich, dass diese Führungen mit der Zeit gereift sind.

Glücklich, zufrieden und mit Wissen bis zum bersten gefüllt, verlassen wir dann die Kasematten. (2 Stunden hatten wir, länger als angegeben)

Hier das Rondell unter dem wir waren, von oben.

1879 kaufte die Stadt Bielefeld die Burg vom preußischen Staat ab.

Zwischendurch war es dann auch ein Zuchthaus, Gefängnis geworden.

Im Zuge der Burgenromantik erkannte man jedoch den touristischen Wert der Burg. Man ließ den Turm von den Strafgefangenen wieder errichten, nachdem er bis auf den unteren Teil zusammengestürzt war.

Ein schrecklicher Gedanke hier beim Nachmittagstee zu sitzen und den Gefangenen bei ihrer schweren und gefährlichen Arbeit zusehen zu können. Aber so war es damals tatsächlich.

Beim verlassen der Anlage habe ich noch einen Blick auf die Speisekarte geworfen, ich war erstaunt, es gibt sogar Dinge für den kleineren Geldbeutel.

Das große Rittergelage jedoch kostet pro Person 80€ :astonished:

Als Mägde verkleidete Bedienung bringen ein 6 gängiges Rittermahl an den Tisch, zwischen diesen einzelnen Gängen gibt es Gaukler und Musik.

Man isst vom Brett mit Händen und Stilett… :see_no_evil:

Ok… Sollte ich DIES jemals machen, werde ich davon zu berichten wissen. :joy:

Ich hoffe euch hat dieser Ausflug gefallen!

Solltet ihr je in die Region kommen, die Straßenbahnhaltestelle befindet sich unterhalb der Burg, der Aufstieg ist jedoch kräftezehrend.

Parkplätze gibt es oben bei der Burg auch, diese sind jedoch kostenpflichtig.

Ich markiere dich hier @plavarda , der du Burgen ebenso schätzt und @AZ_2021 weil du ausführliche Berichterstattung praktizierst wie ich.

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Bellissimo @Stephanie_OWL complimenti cara! Veramente un bel resonto dettagliato al massimo, potresti farne una guida! Anche le foto sono bellissime e ben inquadrate e rendono il testo estremamente comprensibile! Brava, ma questo lo sapevi già!!!

Un forte abbraccio

Paolo

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@plavarda

Deine Zeilen sind mir Ansporn und Ehre zugleich!

Schließlich bist Du ein Meister der Worte und Berichte!

Danke für deine liebe Antwort!

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@Stephanie_OWL What a well-written article and you are so detailed.

That’s a reasonable price for the tour and I love how you came multiple times but was able to see and learn more about the history this time. It’s always a good feeling when you learn more about something familiar.

I loved reading how the walls were strong, and the photo you took of the model allowed us to get a general overview of how the layout looks- excellent idea! :clap:

It made me smile that you got a snack. I would have done the same; exploring makes me hungry. :two_hearts:

Also, wow…50-150 men crammed. I can only imagine; it would be even more crammed than a locker room at the gym. It would be loud and smelly and hard to live there. Living conditions back then were much tougher. I also liked the photo of the ancient staircase; it would be scary to go down without the lighting, I agree! :blush:

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@AZ_2021

Ich LIEBE deinen Vergleich mit dem Fitness - Studio :rofl: :rofl: :rofl: :rofl: :+1:t2:

Oh ja, die hygienischen Bedingungen waren damals nichts für empfindliche Nasen :wink:

Mir reicht es bereits wenn ich im Supermarkt an der Kasse ansehe, ich nehme scheinbar immer DIE, in der ein nach Schweiß riechender Mensch ebenfalls wartet :see_no_evil:

Allerdings habe ich einen oftmals tatsächlich belastend feinen Geruchssinn. Ich kann im Frühjahr die Hyazinthen des Nachbarhauses riechen… :see_no_evil:

@Stephanie_OWL I love how we share a sense of humor and it makes me happy to see you laughed. :couple_with_heart_woman_man:

Your funny story about the supermarket made me laugh too!

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Was just wondering how on earth I missed this post, finally am here. Just loving how you put it down, well explained, with beautiful pictures @Stephanie_OWL . And you know what, I just love how you engage us in the post will writing it, it’s so beautiful that I can’t stop reading until I understand why you laughed at some point. That pie apple and coffee :coffee: , okay, :wink: story for another day . Nonetheless great post. Thanks for sharing with us :heartpulse: .

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